90 Millionen Tonnen noch essbarer Lebensmittel wandern europaweit jedes Jahr in den Müll. Die Dokumentation „Taste the Waste“ von Valentin Thurn zeigt, wie gleichgültig heute mit Nahrungsmitteln umgegangen wird und welche Möglichkeiten jeder einzelne hat, um verantwortungsbewusster mit Essen umzugehen. Doch eine wirklich kritische Auseinandersetzung mit dem Thema bleibt zur großen Überraschung aus. Wenn Friedrich-Wilhelm Graefe zu Baringdorf über seinen Acker in Ostwestfalen läuft, wird er nachdenklich. „Nicht alle Kartoffeln schaffen es in den Laden. 40 bis 50 Prozent bleiben liegen“, erzählt er während er betroffen in die Kamera blickt. Der Handel will schöne Kartoffeln – nicht zu groß, nicht zu klein. Die Kunden verlangen das eben so, bekommt er zu hören. „Es geht dabei nicht um Ernährungsaspekte, sondern einfach nur ums Schick-sein.“ Der überzeugte Öko-Bauer freut sich daher umso mehr, wenn Menschen regelmäßig bei ihm vorbeischauen und die Kartoffeln aufsammeln, die es nicht in den Handeln schaffen – kostenlos versteht sich.
Vom Regal in die Müllpresse
„Taste the Waste“ zeigt zahlreiche solcher Beispiele. Lebensmittel, die vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums aus den Supermarktregalen verbannt werden, weil sie der Kunde sonst nicht kauft. Ein Inspekteur auf einem Großmarkt, der tonnenweise Früchte wegwerfen lässt, weil die Ware überreif angeliefert wurde. Oder der Bäcker, der davon berichtet, dass in der Branche teilweise bis zu 20 Prozent an Backwaren nach Feierabend entsorgt werden. Nur wenig wird an Bedürftige abgegeben. Wo nicht schon längst Zäune um die großen Müllbehälter hinter den Lagerhallen dieser Welt hochgezogen wurden, landen die meisten Lebensmittel direkt in der hauseigenen Müllpresse. Ernähren aus der Mülltonne
In letzter Konsequenz finden sich dann Menschen, wie die beiden jungen Männer in Wien, die sich regelmäßig zum „Dumpster Diving“ aufmachen – dem „Mülltonnen-Tauchen“ oder neudeutsch „Containern“. Hierbei gilt eine eiserne Regel: Nimm nur so viel, wie du auch essen kannst! Da bis zu zehn Prozent im Hausmüll noch ess- und vor allem genießbar sind, kommen die beiden Jungs auch mit bis zu 15 Euro im Monat für Lebensmittel aus. Den Rest besorgen sie sich aus den Mülltonnen der Stadt.
Eine internationale Reise durch die Überflussgesellschaft
Valentin Thurn ist seit mehr als 20 Jahren Dokumentarfilmer und hat in seinen zahlreichen Filmen häufig brisante, manchmal leise und oft vergessene Themen aufgegriffen. Daher ist „Taste the Waste“ eigentlich auch handwerklich ganz solide gemacht. Eben eine Dokumentation, die den Zuschauer mit auf eine Reise durch die Überflussgesellschaft nimmt. Nur hat man hier keinen Platz an den Esstischen der ach so reichen, westlichen Welt, sondern in der Mülldeponie in Tuscon, Arizona, inmitten vertriebener Kleinbauern in Kamerun oder in der Küche einer Mitarbeiterin der Pariser Tafel, die für sich selbst auch immer noch ein paar Lebensmittel mit nach Hause nehmen darf.
Lebensmittel werden beliebig
„Wir haben die Wertschätzung ein wenig verloren“, attestiert die Pariser Mitarbeiterin, als sie in ihrer kleinen Küche Fleisch anbrät, das sie zuvor von ihrem Arbeitgeber, der Pariser Tafel, mitnehmen durfte. Diese Aussage mag stimmen. In Zeiten, in denen sich Discounter in schöner Regelmäßigkeit preislich unterbieten, werden viele Lebensmittel erschwinglich und irgendwann auch beliebig.Wer im Supermarkt Bananen im Sonderangebot kauft, macht sie sicherlich kaum Gedanken um die Arbeitsbedingungen auf der Bananenplantage.
Wo wächst das Fleisch?
Eine New Yorker Lebensmittel-Aktivistin berichtet schockiert darüber, dass Kinder bisweilen noch nicht einmal den Unterschied zwischen einem Apfel und einer Tomate wüssten. Und nein, Fleisch wächst im Supermarkt nicht unter der Plastikfolie und Honig kommt nicht von Anfang an aus dem Glas.
Schön geschnitten, schön erzählt - aber von Analyse keine Spur
Doch so schön geschnitten, so gut erzählt „Taste the Waste“ auch daher kommt, so wenig analytisch geht er vor. Natürlich gelingt es Thurn, den Zuschauern einen Spiegel vorzuhalten – wer hat nicht schon einmal Produkte weggeworfen, bei denen das Mindesthaltbarkeitsdatum noch nicht überschritten war? Und zugegeben: Gedanken hat man sich dabei doch nicht wirklich gemacht.
Der Zuschauer erfährt auch von durchaus praktikablen Lösungsansätzen, um die Wegwerfgesellschaft umzuerziehen, um wieder ein Gefühl für Nahrungsmittel zu bekommen. Es gibt Lebensmittel-Kooperativen in vielen Teilen der USA, private Bienenfarmen über den Dächern New York Citys oder ein Biogaskraftwerk in Hamburg, das Lebensmittelreste in Energie umwandelt. In Japan werden Lebensmittelreste zu Tierfutter verarbeitet. Insofern legen die Bilder den Finger in die Wunde und zeigen einen möglichen Weg aus dem Dilemma. Doch mehr schafft „Taste the Waste“ leider nicht.
Der Film bleibt in der bloßen Anklage stecken
Das große Manko dieses Film ist nicht etwa die Tatsache, dass der Film eindeutig Stellung bezieht. Im Gegenteil: Thurns bilderreiche Collage setzt ein eindeutiges Zeichen gegen die Überflussgesellschaft, gegen sterile Supermarktregale und vor allem gegen das achtlose Wegwerfen von noch gut erhaltenen Lebensmitteln. Was Thurn mit seinem Film jedoch nicht gelingt, ist das große ganze Bild zu zeigen. Alle Protagonisten sprechen immer von bösen Händlern und gierigen Verbrauchern – aber anstatt diese einmal mit der Kamera zu konfrontieren, belässt es der Filmemacher bei der bloßen Anklage.
'Audiatur et alters pars' heißt es, auch die andere Seite soll angehört werden. Doch dieser Schritt bleibt bei „Taste the Waste“ leider außen vor. So verkommt der Film dann auch eher zu einer einseitigen Anklage, die argumentativ zwar vordergründig überzeugen mag, aber in keiner Weise die Umstände wirklich zu erklären versucht.
Ich finde es nicht richtig das gewerbliche Lebensmittelvernichtung erlaubt ist aber Containern illegal. Warum kann man denn nicht die Ware die kurz vor Ablauf des MHD stehen einfach aus dem Regal nehmen, reduzieren und an einen Platz stellen wo man gleich sieht das die Ware reduziert wurde? Ich meine das wegschmeissen kostet doch auch Geld. Und wieviele Leute könnte man damit ernähren? Die Antwort: Sehr viele. Wie kann man das verhindern das die Ware nicht gleich weggeschmissen wird?? Ich finde es echt schwachsinnig dass es verboten ist weil mit den Lebensmitteln könnte man sehr viele Leute noch ernähren. Wenn das MHD überschritten ist muss es ja nicht gleich heissen das die Ware schlecht ist, denn es heisst ja nicht umsonst MINDESTHALTBARKEITSDATUM.